Im Geschäft informieren, im Internet kaufen

09.02.2016 | Internet // eCommerce

Keine Gewissensbisse beim Beratungsklau?

Im Geschäft informieren, im Internet kaufen

Grafik: Supress

sup.- Ins örtliche Fachgeschäft gehen oder lieber online bestellen? Sowohl als auch, lautet heute oft die Antwort auf diese Frage. Allerdings nehmen viele Verbraucher dabei eine Schwerpunktsetzung vor, die dem Fachhandel zunehmend zu schaffen macht: Sie testen und vergleichen die Produkte im stationären Geschäft, lassen sich dort ausführlich beraten – um ihre Auswahl anschließend preisgünstiger bei einem Online-Händler zu bestellen. Manche Kunden tun dies ganz ungeniert per Smartphone noch im Geschäft, während der gerade zu Rate gezogene Fachverkäufer auf seinen Waren sitzen bliebt. „Beratungsklau“ lautet der Terminus für dieses Verhalten, das bereits manche Fachgeschäfte in den Innenstädten zur Aufgabe gezwungen hat. Denn die Miete für Verkaufs- und Präsentationsfläche, für Lagerhaltung, Büros und Sozialräume muss dort ja erst einmal erwirtschaftet werden, ebenso wie die Personalkosten für ausgebildete Fachkräfte. Wenn jedoch ein Großteil des bisherigen Geschäftsvolumens vom Internethandel übernommen wird, sind solche Investitionen nicht mehr finanzierbar.

Laut einer repräsentativen Studie des Marktforschungsinstituts YouGov haben sich 75 Prozent der Deutschen schon einmal im Laden informiert und anschließend im Netz bestellt. Und ein schlechtes Gewissen haben gerade die jüngeren Konsumenten dabei kaum noch: Während 40 Prozent der Über-55-Jährigen Skrupel bekennen, empfindet nur noch ein Viertel der 18- bis 34-Jährigen Gewissensbisse beim Beratungsklau. Dass sie sich damit selbst den künftigen Zugriff auf die Beratungskompetenz, Testmöglichkeiten und Serviceleistungen des Fachhandels verbauen, ist den meisten der jüngeren Konsumenten offenbar nicht bewusst oder schlicht egal. An diesem Trend ist das Bundeskartellamt nicht ganz unbeteiligt, weil es in seinen Entscheidungen zunehmend das Geschäftsmodell des lokalen Handels in Frage stellt. Als Grundlage für eine zulässige Preisgestaltung beziehen sich die Kartellwächter auf die Discount-Angebote einschlägiger Online-Shops, die ohne Geschäftsfilialen und Verkaufspersonal natürlich ganz anders kalkulieren können. Und Markenhersteller, die ihre hochwertigen Produkte überhaupt nicht im Umfeld kaum kontrollierbarer Internet-Plattformen sehen möchten, werden per Kartellamtsentscheid zur Nutzung dieser Vertriebsoption genötigt. Es wird ihnen sogar untersagt, besonders beratungsintensive Waren adäquat und exklusiv über die Fachgeschäfte zu vermarkten. „Das provoziert Geschäftsaufgaben und vernichtet mittelständische Existenzen und Arbeitsplätze“, warnt der Wirtschaftspublizist Detlef Brendel in dem Buch „Wirtschaft im Würgegriff / Wie das Kartellamt Unternehmen blockiert“ (Campus Verlag, ISBN 978-3-593-50150-5). Er befürchtet die Entwicklung zu einem „Discountry“, wenn es keine Chancengleichheit für alle Vertriebsformen einschließlich der örtlichen Geschäftsvielfalt mehr gibt. Bei einem verordneten Einheitsangebot auf niedrigstem Preisniveau werden Service und fachkundige Beratung wohl zunehmend auf der Strecke bleiben.

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